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"Ich achte auf meine Energie!"

Mit ihrem richtigen Vornamen zurück in die Zukunft. Zehn Jahre hörte man von Julia Neigel nur Hiobsbotschaften. Mit ihrem neuen Album „Neigelneu“ läutete sie ein furioses Comeback ein. Zehn Jahre lang hörte man wenig von Ihnen, was war los?

Ende 2000 löste ich meine Band auf, weil wir uns nur noch stritten. Da kam heraus, dass der damalige Keyboarder sowie mein Lebensgefährte und Gitarrist mehr als 20 Jahre lang Unwahrheiten bezüglich meiner Autorenschaft an meinen Liedern erzählt hatten. Das führte dazu, dass die beiden bei der Musikverwertungsgesellschaft GEMA ihre Urheberschaft für meine Lieder und Melodien angemeldet hatten. Da musste ich mir einen Anwalt nehmen. Ich geriet in eine schwere Krise: Das Gefühl, dass mich mein eigener Freund belogen und getäuscht hatte, war ein Schock. Ich ging vor Gericht, erhielt anonyme Morddrohungen und stand unter Polizeischutz. Trotzdem stellte ich 2003 eine neue Band zusammen und arbeitete schon damals an Songs für das Album „Neigelneu“. Das Gute an dieser Krise war sicher, dass ich viel Zeit hatte, Songs zu schreiben. Und sie trieb meine persönliche Reife als Mensch und Künstlerin voran.

Ist das der Grund, warum sich Jule Neigel heute Julia nennt?

Seit damals nutze ich meinen richtigen Namen Julia Neigel, nicht mehr meinen Kinder-Spitznamen Jule. Sicher auch eine Konsequenz aus der Wahrheitssuche und Wahrheitsliebe.

Es ist so viel Schlimmes passiert, was treibt Sie immer noch an? Wie zogen Sie sich emotional aus diesen Geschichten heraus?

Erst einmal war ich fertig mit der Welt. Alles woran ich von Jugend an geglaubt hatte, Freundschaft, Liebe, Partnerschaft, meine Musik, alles war verraten worden. Ich hatte danach große Probleme, Menschen beruflich oder privat zu vertrauen. Ich überlegte wirklich alles hinzuwerfen, war regelrecht traumatisiert. In diese Zeit war ich wie erstarrt. Es war meine Mutter, die mich motivierte, weiterzumachen und nach vorne zu schauen. Als ich dann meine neue Band fand, besserte sich auch meine musikalische Motivation, denn noch nie hatte ich solche Virtuosen und so liebenswürdige Menschen an meiner Seite. Sie hatten Verständnis, waren behutsam im Umgang mit mir und schafften es, mein Misstrauen zu heilen. Ich bin ihnen sehr dankbar.

Können Sie nachts wieder gut schlafen, herzlich lachen, lieben und vertrauen?

Oh ja! Ich bin glücklicher denn je, hatte noch nie so eine gute Zeit. Die Zeit heilt alle Wunden. Letztendlich hat sich aus der Krise etwas Gutes entwickelt: Ich bin endlich frei und kann voll aus meinem Potential schöpfen. Und die Menschen, die heute um mich herum sind, sind ehrlich, professionell und liebevoll, denn andere hätten bei mir keine Chance mehr.

Haben Sie nun endlich Menschen um sich, denen Sie vertrauen können?

Diesmal wollte ich erst sicher sein, dass meine Mitarbeiter charakterlich integer sind und dann erst hören, was sie musikalisch können. Meine Musiker wie Joerg Dudys oder Simon Nicholls sind nicht nur Größen in der A-Liga der Musikerszene, sondern auch Vertraute. Joerg ist mittlerweile mein Lebenspartner geworden – so liebevoll kann es also auch gehen. Neben meiner Band habe ich wunderbare Mitarbeiter und viele enge Freunde.

Haben Sie die Vergangenheit in „Neigelneu“ verarbeitet?

Mitunter. Den Song „Drei Wünsche frei“ widmete ich meiner Mutter. Sie ermunterte mich in der schweren Zeit immer zum Weitermachen.

Das Album ist so wunderschön rockig-soulig, so richtig „saftig“. Wer steht jetzt an den Reglern und Instrumenten, wer sind die Leute in Ihrer Crew und wie haben Sie sie gefunden?

Die Band besteht aus Joerg Dudys an der Gitarre, Simon Nicholls am Keyboard, Raoul Walton am Bass und wahlweise Mario Garrucio, Ralf Gustke oder Moritz Müller an den Drums. Alle sind exponierte Musiker und gehören zur A-Liga der Musikerszene in Deutschland. Ich hatte noch nie so eine gute Band! Wir sind ein enges und festes Team. Joerg und Simon arbeiten seit zehn Jahren mit mir zusammen, wir haben auch die Songs im Studio erarbeitet und so sind wir sehr vertraut. Neben meiner Band habe ich einen wunderbaren Manager, eine tolle Assistentin und weitere exzellente Mitarbeiter – und viele enge Freunde. Ich kenne alle schon seit vielen Jahren. Das Team wird immer größer, besser und hochwertiger. Letztendlich fanden sich diese Menschen, in dem mir entweder jemand von einem vertrauenswürdigen Menschen empfohlen wurde, oder ich traf selbst die Auswahl. Bei der Band war mir nicht nur der musikalische Anspruch extrem wichtig, sondern vor allem auch die Frage nach korrekten Persönlichkeiten. Denn die Musiker waren mir selbst zuvor nicht bekannt. Es gibt bei uns goldene Regeln im sozialen Umgang, die eine angenehme und korrekte Arbeitsweise garantieren. Menschliche Werte gehören beim Musikmachen dazu – damit man sich auch nach der Arbeit auf der Bühne noch schätzen kann. Das war für mich das Wichtigste, erst dann wollte ich hören, was die Musiker auf dem Kasten haben. Wir ziehen alle an einem Strang! So zieht ein guter liebenswürdiger Mensch den nächsten an und alle passen zusammen.

Wie sieht Ihr typischer Studio- oder auch Kompositionstag aus?

Der dauert immer recht lang! Ein Zeitgefühl gibt es da nicht. Manchmal gehen wir bei Morgengrauen aus dem Studio und da nur, weil wir mal schlafen müssen. Wir sind oft so vertieft, dass wir alles um uns herum vergessen. Sei es beim Komponieren oder Einsingen – es dauert meist bis tief in die Nacht und Besuch von Freunden ist auch willkommen. So können sich die Sessions ziehen. Mit Joerg und Simon arbeite ich im Studio an den Alben. Dort singe ich ihnen meine Melodien vor und wir arrangieren, produzieren dann die Songs und probieren verschiedene Arrangements aus. Oder wir arbeiten Songs von Joerg oder Simon. Komponieren ist eine sehr intuitive Arbeit bei der die Vertrautheit miteinander ein Riesenvorteil ist. Es muss fließen, wir müssen uns gegenseitig inspirieren und das gelingt uns. Wir tüfteln, lassen uns Zeit unsere Ideen weiterzuentwickeln. Das führt manchmal dazu, dass wir einen Song liegenlassen, bis er reif ist, vollendet zu werden. Beim Einsingen bin ich meist alleine mit Joerg in dessen Studio, wo wir alle Demos aufnehmen.

Sie gewannen bei „Jugend musiziert“, aber Julia Neigel durfte nicht im Schulchor singen, weil ihre Stimme zu dunkel war. Stimmt das?

Beides! Ich spielte ja ein klassisches Instrument und das machte mir viel Spaß. Solange ich es spielen durfte, liebte ich es! Die Theorie habe ich noch nie gemocht. In der Praxis war ich immer sehr gut, in den Noten nur befriedigend, sei es in der Schule oder in der Musikschule. Im Schulchor war ich damals tatsächlich unerwünscht, da meine Stimme wirklich zu sehr heraus hörbar war. Und bei einem Kinderchor fällt eine so dunkle Stimme noch mehr auf. Ich mochte meine Stimme damals nicht, da sie so eigen war. Erst als Erwachsene lernte ich meinen Stimmsound zu akzeptieren und schätzen.

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Sie sind selten auf roten Teppichen unterwegs, aber wenn, dann sieht man auf den Pressefotos, wie viel Spaß Ihnen Styling macht. Wie stark sind Sie von Mode, der Glitzerwelt beeinflusst, wie sehr legen Sie Wert auf Ihr Aussehen?

Ich liebe Glamour, auch Luxus! Und natürlich die unterschiedlichste Mode, wie wohl jede Frau. Ich habe allein 500 Paar Schuhe. Ich mag aber auch Schlichtheit und bequeme Kleidung. Aber vor allem liebe ich Individualität und gute Qualität. Mein Kleiderraum ist so groß wie manch ein Wohnzimmer. Aber bei all der Sammelleidenschaft für Kleider und anderes war ich schon als Jugendliche gegen eine Uniformierung und Normierung des Aussehens und erst Recht gegen das Dogma der Markenpflicht. Insofern ist mein Kleiderschrank aus großer Fundus: Selbstgemachtes, Kleider aus Secondhandshops, aus Theatern, vom Schneider hängen neben Outfit von der Stange. Ich achte aber aufs Preisleistungsverhältnis! Ich verschönere meine Sachen gerne mit zusätzlichen Details wie Strass oder Nieten. Erlaubt ist, was mir gefällt, sei es Abendkleid mit Schleppe oder Punk-Outfit. Aber es muss gute Ware sein und ich muss die Kleidung flexibel nutzen können. Seit kurzem habe ich mich mit der Firma Kapraun zusammengetan, die mir meine individuellen Outfits für die Bühne nach meinen Wünschen auf die Haut schneidern. Die machen das ganz fantastisch, da steckt sehr viel Handarbeit in den Applikationen. Mein Kleidungsgeschmack war schon immer so individuell, dass ich eigene Wege ging und Sachen auch schneidern ließ. Das wichtigste ist, dass ich mich darin wohlfühle. Und ob der Style gerade im Trend liegt oder noch keiner ist, ist mir egal. Ich trage nur, auf was ich gerade Lust habe.

Als Handballerin hatten Sie Erfolg in der Bundesliga, gewannen Preise beim Nachwuchswettbewerb „Jugend musiziert“ – sind Sie ein Mensch, der gern Höchstleistungen bringt?

Ja, mit Sicherheit. Als Russlanddeutsche, in Sibirien geboren und mit fünf Jahren in Deutschland einem abrupten Kulturwandel ausgesetzt, musste man entweder eine bessere Leistung bringen als andere oder man ging unter. Ich entschied mich für das Durchzusetzen und so lernte ich, an mich höchste Ansprüche zu stellen. Ich war schon immer sehr sportlich und begann mit Leichtathletik. Mit 13 Jahren wechselte ich zum Handball. Mit 16 Jahren wurde ich abgeworben und in der Bundesliga aktiv. Ich denke, mir hat dabei wahrscheinlich meine Linkshänderhärte geholfen: Linkshänder sind im Handball heiß begehrt! Der Verein stieg dann in die 2. Bundesliga ab und nach gewisser Zeit hatte ich wegen meiner Konzerte an den Wochenenden keine Zeit mehr für die Spiele. Ich entschied mich für die Musik. Mein Ehrgeiz war schon immer groß. Als ich mich entschied, Sängerin zu werden, wollte ich nicht nur durchschnittlich werden – ich wollte eine der Besten sein! Ich wollte besser und besser werden und alles lernen, was nur möglich ist. Noch heute weiß ich, dass wir jeden Tag dazulernen. Wir werden immer weitermachen, besser zu werden.

Können Sie gut abschalten? Wie kommen Sie aus dem ganzen Stress wieder raus?

Mittlerweile kann ich gut entspannen, das musste ich als Arbeitstier erst lernen. Mein Terminkalender ist proppenvoll, aber ich bin trotzdem leistungsfähiger geworden. Meine Einstellung hat sich geändert, denn ich mache die Dinge mit Freude. Es gibt den Begriff Stress allein schon aus psychologischen Gründen nicht mehr in meinem Sprachgebrauch und ich sorge für angemessene Ruhephasen. Alles was mich nervt, stelle ich sofort ab. Ich stell mein Handy ab, wenn ich nicht erreichbar sein will. Mein Partner und ich haben uns ganz eigene Tage im Kalender eingeplant, damit wir die Zweisamkeit auch genießen können. Essen mit Freunden und meine Mama besuchen sind Regelmäßigkeiten, die ich mir nicht nehmen lasse. Da gibt es dann auch nichts sonst als das Privatleben.

Ihre Entspannungstechniken?

Joggen, Reiten, Reisen, viel Schlafen, Lachen, Sport, Kochen, Malen, Lesen, Liebe, Wellness, Massage, Freunde, meine Mutter besuchen, ab und an einen guten Film …

Sie sehen deutlich jünger aus, als Sie sind, dazu superschlank – was ist Ihr Geheimnis? Sport? Ernährung? Achten Sie beim Genuss auf ökologisches Verhalten?

Danke für das Kompliment! Jung zu bleiben ist keine Sache der Jahre, sondern eine Frage der Einstellung. Ich bin gern aktiv und genieße es zu leben. Ich treibe Sport, schlafe viel und gerne, genieße aber auch in Maßen und habe Freude, bei dem was ich tue. Eigentlich geschieht dies automatisch, ich achte da gar nicht mehr so drauf. Nur aufs genügend Wasser trinken muss man mich ab und an erinnern. Ich lasse mich auch gerne massieren, genieße Wellness, feiere auch mal gern lang und laut. Ich vermeide aber Fastfood, trinke keinen Alkohol und esse kaum Fleisch. In unserer Küche kommt fast nur Bioware auf den Tisch – Geschmacksverstärker und Chemie vermeiden wir komplett. Wir lesen genau, was auf den Packungen steht und verbannten schon etliche Sachen aus unserem Haushalt. Und natürlich bei Mamas Küche, da geht mir das Herz auf. Seit ich denken kann baut sie ihre Gemüse selbst an, macht fast alles selbst und hat mich in meinem Bewusstsein für gesunde Ernährung sehr geprägt.
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Ihre liebsten Hobbys?

Reiten, Malen, Kochen, Reisen, Tauchen, Anekdoten aufschreiben, Archäologie, Kunst und Kunstgeschichte, da gibt es so viele …

Engagieren Sie sich für Ihre Mitmenschen?

Auf etlichen Ebenen. Ich war erstaunt, dass erst jetzt die Massen gegen Atomkraft auf die Straße gingen. Wir machten das schon zu unserer Schulzeit. Ich trete seit langem für den Kinderschutzbund ein, für traumatisierte und krebskranke Kinder, für den weißen Ring, das Kinderhospiz und verschiedene andere Organisationen.

Wie steht’s mit Ihrem Umweltbewusstsein?

Bei Biobenzin und dessen Herstellung bin ich sehr skeptisch. Vieles ist nicht Bio, obwohl es draufsteht. Deshalb fahre ich noch ein Auto mit Benzinantrieb. Den Sprit kaufe ich bei freien Tankstellen, weil ich die Preiswillkür der Mineralölkonzerne nicht unterstütze.

Was halten Sie vom Thema Energiesparen?

Bei Energiesparlampen hab ich ein zwiespältiges Gefühl: Ich halte die Dinger für gefährlich und finde das Licht niederdrückend hässlich. Ansonsten vermeide ich unnötigen Energieverbrauch wo es geht. Bei Haushaltsgeräten wie der Waschmaschine achte ich beim Kauf auf den Stromverbrauch. Auch über eine Solaranlage für Warmwasser und Heizung dachte ich schon nach.

Achten Sie auf gesunde Ernährung?

Daheim koche ich selbst, meist mit Schnellkochtöpfen. Die Mikrowelle kommt bei mir nur zum Aufwärmen von Speisen zum Einsatz. Obst und Gemüse kaufe ich nur als frische Bioware, und das meist vom Bauern nebenan. Damit unterstütze ich die Agrarkultur unserer Heimat und helfe riesige Anbaubetriebe in Übersee zu vermeiden, die dort die Natur zerstören. Beim Einkaufen gebe ich die Verpackungen gleich zum Recyceln zurück. Außerdem kaufe ich Getränke nur Getränke in Glasflaschen.

Was würden Sie als Politikerin ändern?

Zuerst die Vernetzung von Industrie und Politik durchtrennen. Ich würde die Vernormung von Gemüse- und Obstsorten verbieten sowie die Versklavung der Bauern durch Patente für genveränderte Getreidesorten. Ich würde versuchen, die Vielfalt der Natur wiederherzustellen, den Verpackungswahn einzudämmen, der Industrie eine höhere Umweltsteuer abzuverlangen, Massentierhaltung abzuschaffen, Gefahrsiegel für Fast Food einzuführen. Meine Güte, ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen sollte!

Welche Projekte verfolgen Sie als Nächstes?

Wir sind derzeit unterwegs auf Tournee, haben ein Live-Album von einem Unplugged-Konzert fertig gestellt und werden auch noch ein Rockkonzert live aufnehmen. Diese limitierten CDs werden wir nur auf unseren Konzerten anbieten. Weiter arbeiten wir an einem Buch, einer Biografie, die nächstes Jahr veröffentlicht wird. Wir spielen mit einer Big Band zusammen, mit der wir uns noch mehr vorstellen können. Ein Film ist geplant – und natürlich auch ein neues Album!

Biografie Julia Neigel

„ Als ich mich entschied, Sängerin zu werden, wollte ich nicht durchschnittlich werden – ich wollte eine der Besten sein.“ Eine der besten deutschsprachigen Soulsängerinnen, Julia Neigel, wurde am 19. April 1966 als Tochter russisch-deutscher Eltern im sibirischen Barnaul geboren. Mit fünf kam sie nach Deutschland, gewann mehrmals beim Musikwettbewerb „Jugend musiziert“, spielte in diversen Bands und trat 1987 zum ersten Mal unter dem Namen „Jule Neigel & Band“ auf. Mit dem Hit „Schatten an der Wand“ gelang ihr ein Jahr später der Durchbruch.