copilot Alsmann: „Mach das Licht aus!“ | energie-tipp.de

Alsmann: „Mach das Licht aus!“

Wo der Entertainer auftaucht, wird’s lustig. Seine sympathische Ironie und Leichtigkeit kaschieren zuweilen, dass seine Karriere auf beeindruckendem Wissen und tiefer Leidenschaft gründet.Götz Alsmann, vermissen Sie eigentlich die gute alte Glühlampe?
Ich vermisse sie sehr! Diese Energiesparlampen halte ich lediglich für einen großen Wurf für die herstellende Industrie. Das ist eine Rechnung, die unterm Strich wohl nicht aufgehen wird.

Man merkt, Sie kennen sich aus. Ist Energiesparen für Sie ein Thema von Kindesbeinen an?
Als ich klein war, hieß es „Mach das Licht aus“, das hatte man schnell verinnerlicht. Es war Teil eines Erziehungsprozesses und die Reflexe, das Licht auszumachen, sparsam mit der Energie umzugehen, sind vermutlich eine frühkindliche Prägung. Man macht es einfach.

Sie leben in der Radfahrer-Stadt Münster. Wie sind sie da unterwegs?
Ich fahre Auto und Rad. Das Radfahren ist hier Teil des normalen Lebensstils. Ich erinnere mich, Anfang der 90er-Jahre als Moderator in Berlin, machten wir eine Sendung übers Radfahren. Und da bat man mich, in typischer Münster-Radfahrkleidung zu moderieren. Also kam ich in Anzug und Krawatte. Man zieht sich hier nicht um fürs Radfahren. Meine aus Berlin stammende Großmutter erzählte immer gern, dass sie als ersten Eindruck von Münster eine Nonne auf einem Fahrrad mit Regenschirm sah und die Stadt sofort verstanden hat: nämlich Radfahren, schlechtes Wetter und Katholizismus.

Sie sind in Münster geboren, haben dort studiert, leben immer noch da. Woher kommt diese Treue zur Stadt?
Weil ich schon seit meinen Teenagertagen immer ausgedehnt auf Tourneen im deutschen Sprachraum unterwegs war. Die „große Welt“ bekam ich sozusagen zum Nulltarif geliefert. Da hat sich nie das Gefühl entwickelt, ich könnte etwas verpassen.

Wenn man sich Ihren Werdegang anschaut, haben Sie eigentlich immer gemacht, was Ihnen Spaß macht.
Ja, das ist tatsächlich so und dafür bin ich dankbar.

Zufall? Oder sind Sie einfach besonders clever vorgegangen?
Ich habe wohl allen, die Einfluss hätten nehmen können, von Anfang an deutlich gezeigt, dass ich zu anderen Dingen als Musik und Unterhaltung nicht tauge. Und doch … eine Pleite gab es: Meine Eltern haben mich im Alter von elf Jahren gegen meinen Willen in einen Schwimmverein gesteckt, aber das war ein solches Desaster, dass man mich bald wieder rausgenommen hat.

Was war zuerst da: die Liebe zur Musik oder die Frisur?
Das war die Musik. Durch mein Elternhaus bin ich mit der Musik der Nachkriegszeit in allen Richtungen konfrontiert worden. Bei uns schätzte man zwar die Beatles, man hörte aber viel lieber Louis Armstrong, Billy Haley oder Bully Buhlan, gern auch Opern und Operetten. Da war man sehr offen, man mochte einfach Musik. Daraus entwickelte sich mein Geschmack, wohl nicht nur musikalisch.

Als Sie in den 70er-Jahren mit Ihrer Musik anfingen, war es da nicht uncool, sich auf die Musik der Nachkriegszeit festzulegen?
Auf den ersten Blick ja, auf den zweiten rief diese Individualität und Beharrlichkeit nach einiger Zeit auch eine gewisse Bewunderung bei meinen Altersgenossen hervor. Ich glaube, dass viel mehr Menschen einen anderen Weg gehen würden. Aber sie trauen sich nicht, haben nicht das Stehvermögen oder glauben, es nicht zu haben.

Ist das heute nicht leichter?
Vordergründig vielleicht. Heute haben Sie schneller ein Forum: Sie basteln eine Homepage, verkünden bei Facebook irgendetwas, stellen Filme bei YouTube ein. Sie können da Leuchtraketen abschießen: „Hier bin ich! Findet mich gefälligst gut!“ Das gab es früher natürlich nicht. Andererseits war damals der Weg zur Bühne leichter. Voraussetzung war allerdings: Man musste schon was draufhaben. Dass die Attitüde „Eine komplette Pfeife sein“ so zur Kunstform erhoben wird wie heute, das war früher in der Tat so nicht möglich.
Auf der nächsten Seite: Professor Alsmann
[contentImage source=“4059349″ desc=““ title=“Entertainer Götz Alsmann“ align=“rechts“ /]Sie verstehen sich als reinen Unterhaltungskünstler. Aber bringen Sie nicht ganz schleichend auch ein Stück Musikgeschichte unters Volk?
Eine solche Mission verfolge ich zumindest nicht auf der Bühne, wenn dann eher durch meine Tätigkeit im Rundfunk in meiner wöchentlichen Spezialitätensendung. Und natürlich an der Universität. Nein, die Unterhaltung steht im Vordergrund.

Heute sind Sie Honorarprofessor an der Musikhochschule Münster. Wer sitzt da im Auditorium: Studenten oder Neugierige, die Götz Alsmann live erleben möchten?
Das hält sich momentan noch die Waage. Vorlesungen sind offene Veranstaltungen, da findet sich oft viel älteres Publikum.

Doch ein Showact?
Mir geht es in diesem Bereich wirklich um den Inhalt. Doch die Dinge, für die ich akademisch stehe, benötigen wohl noch ein Weilchen, bis sie sich in der Studentenschaft herumgesprochen haben.

Sie haben in den vergangenen Jahren mit überraschenden Kooperationen Aufsehen erregt, etwa mit den Punkrockern „Die Ärzte“ oder der Mittelalter-Rockband „In Extremo“.
Die Beziehung zu den „Ärzten“ begann Anfang der 80er-Jahre, als wir uns auf der Hochzeit eines gemeinsamen Freundes aus dem Weg gingen. Jahre später bat mich Bela von den „Ärzten“, ein Stück als Jazznummer zu arrangieren und einzuspielen. Witzigerweise haben wir in derselben Woche ein Stück für Reinhard Mey aufgenommen. Die Kooperation mit „In Extremo“ lief über eine persönliche Freundschaft mit dem Sänger der Band.

Also suchen Sie nicht diese Fusionen?
So etwas kann beidseitig sein. Ich habe später auch ein Duett mit Bela für mein Album „Engel oder Teufel“ aufgenommen, da ging die Initiative von mir aus. Ebenso gab es ja auch musikalische Zusammenarbeit mit Jasmin Tabatabai oder Annett Louisan.

Sie gelten als Archivwühler, was haben Sie gerade neu entdeckt?
Ich muss ja für meine Rundfunksendung ständig etwas Originelles ausbuddeln oder auch etwas Bekanntes in einen neuen Zusammenhang setzen. Da habe ich immer Künstler, um die ich mich besonders kümmere. Momentan beschäftige ich mich mit Fran Warren, einer völlig vergessenen Sängerin der Swing-Ära. Ich habe einen ganzen Stapel Schellackplatten von ihr erworben.

Nutzen Sie auch digitale Musikdateien?
Durchaus, aber vieles gibt es eben nicht digital. Und bei meinen Sendungen greife ich ausschließlich auf meine eigene Sammlung zurück. Aufgrund der Klangqualität liegt es im Interesse meiner Hörer – wenn vorhanden –, die digitalisierte Version zu spielen. Es gibt allerdings auch Überspielungen, bei denen das alte Schellackding die bessere Qualität liefert.

Apropos moderne Technik: Twittern Sie?
Nein. Überflüssig.

Das bringt uns zur überhaupt nicht überflüssigen Fernseh-WG „Zimmer frei“: Wird da Müll getrennt? Gibt’s Biokost?
Wir essen, was unsere Gäste essen. Die verlangen mitunter Bio. Wie die Kollegen bei „Zimmer frei“ den Müll trennen? Keine Ahnung. Wir essen nicht, um danach möglichst viel Müll trennen zu müssen, wir essen einfach. Ich hoffe aber, es wird anständig getrennt.

Fast alle Ihre prominenten WG-Kandidaten bekennen, eigentlich keine Zeit zur Muße zu finden. Nehmen Sie sich Auszeiten?
Nicht wirklich. Ich behaupte das zwar manchmal und glaube es dann auch selbst, aber ich bin da eher getrieben. In diesem Jahr haben wir 106 Konzerte, dann die „Zimmer-frei“-Aufzeichnungen, Rundfunk, TV-Auftritte und so vieles andere, da bleiben wenig Pausen.

Und Ihre Frau meckert da nicht?
Nein, meine Frau kann sich noch sehr gut an die Zeit erinnern, als kein Mensch angerufen hat.

Sie skizzierten gerade ihre Arbeitsfülle, dazu lesen Sie auch Hörbücher ein. Kommt da nicht die Lust, selbst zur Feder zu greifen?
Viele Prominenten-Bücher sehen doch nur aus wie Bücher. Vielleicht ist das der Grund, warum ich erst gar nicht anfange. Es sind doch sehr viele Plapperbücher auf dem Markt, die unnötig Platz in Buchhandlungen und Wohnzimmerregalen wegnehmen.

Also ist das nächste Projekt nach Ihrer erfolgreichen Paris-CD wieder ein musikalisches?
Wir spielen das Paris-Programm ja noch bis Ende 2013. Aber dann muss auch schnell etwas Neues kommen, und das braucht Vorbereitung. Seien Sie gewiss: Es wird etwas geben, und darauf freue ich mich schon sehr. Ich will ja hoffen, dass ich auch nach 2013 noch auf der Bühne zu sehen bin.

Das Interview führte Anja Scherz

Mehr zur Person Götz Alsmann

Biografie: Götz-Dampf in allen Gassen

Götz Alsmann (55), promovierter Musikwissenschaftler, Multi-Instrumentalist, Unterhaltungskünstler, Mit-Gastgeber des TV-Dauerbrenners „Zimmer frei“, Radiomoderator („Go, Götz go“ auf WDR 4) und prämierter Krawatten- wie Brillen-träger, erhielt in diesem Jahr – nach etlichen anderen Auszeichnungen – den „Echo“ als bester deutscher Sänger. Seit einem Jahr ist er Honorarprofessor an der Musikhochschule der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Hörbuch: Ergötzlich gruseln mit dem „Hund von Baskerville“

[contentImage source=“4059346″ desc=“Götz Alsmann gibt Hörbüchern seine Stimme“ title=“Götz Alsmann Hörbuch“ align=“rechts“ /]

Götz Alsmann liest gern Bücher vor, die als Filme seine Kindheit bereicherten. Nach „Die Feuerzangenbowle“ und „Drei Mann im Boot“ hat er sich den Gruselklassiker „Der Hund von Baskerville“ von Arthur Conan Doyle vorgenommen (4 CDs, 24,95 €). Band-Kollege Markus Paßlick begleitet musikalisch. Hörbücher und Musik-CDs sind erschienen bei tacheles (www.roofmusic.de), seine aktuelle CD „In Paris“ bei Blue Note Records (www.emimusic.de).

Zwölf kurze Filme geben auf www.myvideo.de Einblick in die Aufnahmen zum „In Paris“-Album.

Biografisches, Künstlerisches und aktuelle Tourneetermine von Götz Alsmann finden Sie im Internet unter www.goetz-alsmann.de

Das Interview führte Anja Scherz.