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Innovativer Stromer

Das Elektroauto kommt nicht so richtig in Schwung. Drei Münchner leisten jetzt Starthilfe.

Zwei Wochen nach dem Abitur gönnen sich die meisten Teenager eine Auszeit, reisen oder feiern. Jona Christians und Laurin Hahn begannen heimlich, ein Elektroauto zu bauen. „Dass es in Deutschland mit dem E-Mobil nicht voranging, hat uns geärgert. Also haben wir einfach losgelegt“, sagt Laurin Hahn, 23. Damals, mit 17, hatte er nicht mal einen Führerschein und vorher nur an seinem Elektroroller geschraubt. Aber ihn und seinen Schulfreund Jona treibt ein Ziel: Mobilität nachhaltig zu machen. Sie wollen weg vom Erdöl und den herkömmlichen Motoren, die die Umwelt belasten.

Elektromobilität neu gedacht

Das Elektroauto, das die beiden in jahrelanger Tüftelei entwickelten, könnte den Absatz von E-Mobilen in Fahrt bringen. Sein Name: Sion. Sein Clou: Es lädt sich selbst auf – mit CO2-freiem Solarstrom. Dach, Motorhaube und Seitentüren bedecken monokristalline Solarzellen. Eine Schicht aus stoßsicherem Polycarbonat schützt die 7,5 Quadratmeter große Solarhaut vor Kratzern und Hagel. Mit seiner Batterie, die an der Ladesäule oder Steckdose aufgeladen wird, kommt der Sion auf 250 Kilometer Reichweite. Die Sonnenenergie liefert weitere 30 Kilometer. Hört sich erst mal wenig an, bringt aber viel, da sich die Reserve immer wieder auflädt – auch bei bedecktem Himmel.

Das Auto als Stecker

Der Stromer ist vor allem für Großstadtpendler gedacht. Auch mancher Camper oder Hobby-Handwerker dürfte seine Freude an dem Wagen haben, denn er lässt sich zusätzlich als mobiler Generator nutzen: etwa um Werkzeuge oder eine elektrische Herdplatte anzuschließen und mit Strom zu versorgen.
Gemeinsam mit Laurins WG-Mitbewohnerin Navina Pernsteiner gründeten Hahn und Christians das Münchner Start-up Sono Motors und starteten im vergangenen Jahr ein Crowdfunding. Ihr Video verbreitete sich rasend schnell über die sozialen Netzwerke. Innerhalb von fünf Wochen kamen 150 000 Euro für den Bau eines Prototyps zusammen. Ende Juli 2017 wurde der Fünfsitzer der Öffentlichkeit vorgestellt. Danach starteten die Gründer eine Probefahrten-Tour durch zwölf Städte und sieben Länder, bei der Crowdfunding-Unterstützer den Wagen testeten und vorbestellten. „Bei 5000 Reservierungen können wir ab Mitte 2019 in Serienproduktion gehen“, hofft Laurin Hahn.

Schweißen in Papas Garage

Zeitungen, Radio und Fernsehen haben über den Sion berichtet, sogar der internationale Doku-Kanal Discovery Channel. Dabei begann das Projekt im Stillen: In der 3 x 6 Meter großen Garage von Jonas Eltern bauten die Freunde einen Renault Twingo um und erprobten daran ihre Ideen. „Den Verbrennungsmotor neu zu konstruieren, hätten wir nie geschafft: Da stecken 100 Jahre Entwicklung drin. Ein Elektroauto ist viel einfacher, es hat ­weniger Komponenten“, sagt Hahn. Anfangs erzählten sie niemandem von ihrem Vorhaben. „Wir wollten es nicht groß rausposaunen und am Ende kleinlaut sagen müssen: Funktioniert doch nicht“, erzählt Jona Christians, 24. Nicht mal seine Eltern wussten genau, was sich in ihrer Garage abspielte.

Heute sitzen die Gründer in hohen, hellen Büros im Münchner Technologiezentrum MTZ und müssen ihre Pläne nicht mehr geheim halten. Aus den Garagentüftlern ist ein 20-köpfiges Team von Elektrotechnikern, Maschinenbauern und Marketing-
Experten geworden – mit einem überzeugenden Konzept. „Jeder sagt über Elektroautos: zu teuer, zu geringe Reichweite, fehlende Infrastruktur. Genau an diesen Punkten setzen wir an“, erklärt Jona Christians.
Der Sion soll 16 000 Euro kosten – allerdings ohne Batterie. Diese soll unter 4000 Euro extra kosten; alternativ kann man sie für etwa 100 Euro im Monat mieten. Trotzdem ein guter Preis für ein akkubetriebenes Familienauto: BMW verlangt für den i3 fast das Doppelte. Wie ist das möglich? „Die meisten Teile bekommen wir patentfrei von etablierten Zulieferern und können sie übernehmen. Dadurch sparen wir uns die Entwicklung“, sagt Christians. „Zudem ist die Ausstattung einfach: Auf luxuriöse Extras wie beheizbare Scheiben oder elektrisch verstellbare Außenspiegel haben wir verzichtet.“

Ersatzteile per Post

Auch ein bestehendes Werkstattnetz wie die großen Autohersteller haben sie nicht. Stattdessen bietet Sono Motors das Handbuch des Sion zum kostenlosen Download an. So können auch unabhängige Werkstätten den Wagen reparieren. Eine Video-Reihe ermöglicht Hobbyschraubern zudem kleinere Reparaturen. Ersatzteile schickt Sono Motors per Post. „Wir wollen Dinge hinterfragen und anders machen“, sagt Laurin Hahn. Wie gut, dass kein Garagentor mehr den Blick auf ihr Projekt versperrt.

Mehr Informationen zum Projekt gibt es hier.


Anschubhilfe fürs E-Mobil
Die E-Mobilität kommt trotz Kaufprämie noch nicht richtig ins Rollen: 4000 Euro erhalten Verbraucher seit Juli 2016 vom Staat, wenn sie sich für ein Elektroauto oder Hybridfahrzeug entscheiden. Trotzdem wurden im ersten Jahr der Prämie nur gut 23 000 Anträge gestellt. Davon galten rund 13 000 Anträge reinen Elektroautos, knapp 10 000 Plug-in-Hybriden und vier Fahrzeugen mit Brennstoffzelle. Die Förderung läuft noch bis Ende Juni 2019.

Neben hohen Preisen schreckt viele Fahrer ab, dass es zu wenige öffentliche Ladesäulen gibt. Doch hier tut sich was: Der Raststättenbetreiber Tank & Rast baut bis Ende 2017 an 400 Standorten entlang der Autobahnen Schnellladesäulen. Zudem hat der Bund 200 Millionen Euro Fördergelder für 5000 weitere Schnelllader freigegeben, die bis 2020 errichtet werden sollen. Bislang konnten Besitzer von Elektroautos ihren Wagen zwar daheim über Nacht an der Steckdose oder Wallbox aufladen. Unterwegs aber kostete das Aufladen oft viel Zeit. Mit den neuen Schnellladern sollen je nach Ladeleistung in 20 bis 60 Minuten rund 50 Kilowattstunden in der Batterie sein. Das reicht für etwa 200 Autobahnkilometer.