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Der Aufklärer

Der Abwasserfilter von Professor Jörg Drewes befreit Wasser von Medikamentenresten und sogar Viren oder Keimen. Das könnte die Klärtechnik revolutionieren.

Charles Darwin hätte seine Theorie des „survival of the fittest“ auf überraschende Art bestätigt gesehen: Auch bei Mikroorganismen im Wasser setzen sich die anpassungsfähigsten durch. Diese Erkenntnis nutzt Professor Jörg Drewes am Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft der TU München, um vorgeklärtes Abwasser komplett von schwer abbaubaren Reststoffen zu reinigen. Mit seiner Entdeckung lässt sich Abwasser in rückstandsloses Brauch- und sogar Trinkwasser verwandeln. Für Regionen mit Wassernot könnte das eine echte Revolution bedeuten.
Auf das Verfahren stieß der Professor rein zufällig. Dabei wollte er eigentlich das genaue Gegenteil seiner Forschungsergebnisse beweisen. Mit seinem Team versuchte er, Grundwasser mit Wasser aus einer Kläranlage anzureichern. „Damit wollten wir bestätigen, dass Spurenstoffe wie Medikamentenreste auf ihrem Weg ins Grundwasser nicht verschwinden. Zu unserem großen Erstaunen lösten sie sich aber auf. Wie konnte das sein?“ Auf den zweiten Blick erkannten die Forscher, dass sehr effiziente Bakterien die Reststoffe beseitigt hatten. Diesem Hinweis folgten sie weiter.

Evolution der Bakterien

Jörg Drewes fand Erstaunliches heraus: Im nährstoffarmen, sehr gut gereinigten Wasser dominieren Bakterien, die Entgiftungs-Enzyme freisetzen und damit selbst schwer abbaubare Stoffe wie Medikamentenreste, Haushalts-Chemikalien oder hormonaktive Substanzen wie etwa Weichmacher beseitigen. „Was uns überrascht hat: Die Bakterien in unserem Filter töten auch Viren und Keime ab: Sie fressen sie schlicht auf“, erklärt der Forscher. Das Prinzip funktioniert unter zwei simplen Bedingungen: extrem reduzierte Nährstoffe im Wasser und ein hoher Sauerstoffgehalt. „Dieses Wissen erscheint zunächst banal, aber es wird noch nicht systematisch bei der Abwasserreinigung genutzt“, sagt Professor Drewes.

Seine Untersuchungen zeigen, dass bei der Filterung von vorgereinigtem Wasser aus Kläranlagen eine Art Darwin’scher Evolution auf mikrobiologischem Niveau stattfindet: Die „Faulpelze“ unter den Bakterien, die nur von Nährstoffen wie Zucker leben, sterben ab. Die verbleibenden Spezialisten werden bei der Nahrungssuche immer kreativer, um auch schwer abbaubare Stoffe zu verwerten. Das tun sie mit Enzymen, sogenannten Monooxygenasen, die auch im menschlichen Magen für die Entgiftung sorgen. Die hungrigen Bakterien sind ein großer Gewinn für die Kläranlagentechnik, die davor nur auf Erfahrungswerten basierte. „Wir wussten, dass etwa die Reinigung mit Klärschlamm funktioniert, kannten aber die biomolekularen Vorgänge noch nie so genau wie heute“, erläutert Jörg Drewes.

Klare Perspektiven

Seit acht Jahren entwickelt der Wissenschaftler den Abwasserfilter namens SMART. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt noch bis Ende 2019. Die Berliner Wasserbetriebe testeten den Filter schon. Das Resultat: Verglichen mit der Klärung durch Ozon ist das System vielseitiger, entfernt auch Trübungen und Viren, benötigt kaum Energie und reinigt sich selbst. Es ist im besten Sinne Lowtech, weil es sich mit einfachen Mitteln überall auf der Welt umsetzen lässt. Sein größtes Plus: Der Filter fußt auf rein natürlichen Vorgängen. Er kann als Zusatzstufe in hiesige Kläranlagen eingebaut werden, lohnt sich aber besonders in Ländern, wo Wasser knapp ist und daher recycelt wird. Professor Drewes selbst erstaunt das Ergebnis seiner Forschung immer wieder. Er deutet auf eine völlig klare Wasserprobe des SMART-Filters, die schon seit einem halben Jahr im Regal steht und sich noch immer problemlos zu Trinkwasser aufbereiten ließe: „Ich warte darauf, dass das Wasser kippt, aber das passiert einfach nicht!“ 

50 Tage

dauert es in der Natur, bis Oberflächenwasser gereinigt und ins Grundwasser versickert ist. Der Abwasserfilter SMART von Professor Drewes benötigt nur wenige Minuten, um Wasser restlos zu klären.