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Fenster und Wände erzeugen Solarstrom

Immer mehr Photovoltaik-Anlagen schmücken deutsche Dächer. Doch Forscher sind schon einen Schritt weiter. Schauen Sie mit uns in die Zukunft.

Auf den ersten Blick sieht das neue Institutsgebäude des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Stuttgart aus wie ein normales, modernes Bürogebäude. Erst wer näher herantritt, bemerkt, dass dünne Leiterbahnen die mattschwarzen Alu-Paneele an der Fassade durchziehen: In die Außenhaut integrierte Photovoltaik-Module liefern auf insgesamt 170 Quadratmetern Solarstrom. Forscher des ZSW haben die sogenannten CIGS-Module – Dünnschicht-Module auf Basis von Kupfer, Indium, Gallium und Selen – selbst entwickelt und testen sie nun, um zum Beispiel ihre Stromausbeute und Montagefreundlichkeit zu verbessern.

Energie aus Wänden

Photovoltaik (PV) ist inzwischen Standard auf vielen Neubau-Dächern – eine stromerzeugende Fassade wie am ZSW-Neubau dagegen etwas Besonderes. Die Idee, Solarmodule in die Gebäudehülle zu integrieren, nennt sich „gebäudeintegrierte Photovoltaik“. Sie folgt einem naheliegenden Gedanken: Dächer und Fassaden belegen enorme Flächen im urbanen Raum, die ohnehin gestaltet und gepflegt werden müssen. Warum kann man sie dann nicht auch als Energielieferanten nutzen?

„Bislang wird ein erheblicher Teil der zur Stromproduktion nutzbaren Flächen verschenkt“, sagt Dieter Geyer, Projektleiter am ZSW. Rund drei Viertel der PV-Anlagen in Deutschland sind auf Dächern installiert, ein weiteres Viertel auf Freiflächen. Der Anteil gebäudeintegrierter Photovoltaik liegt dagegen im Promillebereich. „Dabei ist bei Gebäuden mit mehr als drei Geschossen oft mehr Platz an der Fassade als auf dem Dach“, weiß Geyer. Das macht gebäudeintegrierte Photovoltaik besonders für größere Gebäude in Städten interessant. Denn im Gegensatz zum Land sind Flächen zur Stromproduktion dort rar: Viele Dächer sind durch Aufbauten verschattet, es fehlt der Platz für Freiflächen-Solaranlagen.

Stromerzeugende Fassaden könnten das Problem lösen. Im Prinzip funktionieren sie wie herkömmliche PV-Anlagen: Sie wandeln Sonnenlicht in elektrische Energie um. Nur werden die Solarmodule nicht auf dem Dach montiert, sondern in die Gebäudehülle integriert. Auf diese Weise dämmt die Fassade nicht nur und schützt vor Sonne und Regen, sie produziert auch noch Strom. Ihre Module nutzen die tief stehende Sonne im Winter, aber auch morgens und abends, besser als Dachanlagen. Weiteres Plus: „Dank der vertikalen Ausrichtung bleibt der Schnee im Winter nicht auf den Modulen liegen und mindert den Ertrag“, sagt Geyer. Hinzu kommen ästhetische Vorteile: Anders als bei herkömmlichen Siliziumzellen ist die Zellstruktur bei CIGS-Dünnschichtmodulen kaum sichtbar, dadurch bieten sich ähnliche Gestaltungsmöglichkeiten wie bei Glasfassaden.

Beton als Solarzelle

Eine andere Art, mit einer Hauswand Energie zu erzeugen, verfolgen Forscher der Universität Kassel: Sie verwandeln Beton in ein Solarmodul. Dazu stapeln die Wissenschaftler mehrere Lagen Beton übereinander, von denen die dickste innere Schicht leitfähig ist. Titandioxid im Beton fängt die Lichtteilchen der Sonne ein. Roter Farbstoff wandelt die Sonnenenergie in freie Elektronen um, die als elektrischer Strom abfließen. „Die Farbpigmente reagieren mit dem Sonnenlicht, ähnlich wie Chlorophyll in einem Blatt“, sagt Wissenschaftlerin Heike Klussmann, die den „Solarbeton“ mit dem Architekten Thorsten Kloosters entwickelt hat. Zwar liegt der Wirkungsgrad des „Solarbetons“ nur bei knapp zwei Prozent. Dafür liefert er auch bei diffusem Licht Strom und lässt sich im Prinzip auf jeder versiegelten Fläche einsetzen. Die Zellschichten werden dazu einfach auf den Beton gedruckt oder gesprüht. Auf diese Weise lassen sich auch Straßen, Tunnel, Brücken, Parkplätze oder Treppenstufen in kleine Solarkraftwerke verwandeln.

Auch Fenster wollen Forscher zur Stromerzeugung einsetzen: mit unsichtbaren Solarzellen. Zur Herstellung transparenter Module verwenden Wissenschaftler aus Michigan in den USA organische Moleküle, die nur ultra­violettes und nah-infrarotes Licht absorbieren, das für uns unsichtbar ist. Am Rand der Solarmodule verlaufen dünne PV-Streifen, die das Licht in Energie umwandeln. Und selbst für das Dach gibt es inzwischen eine Alternative zur klassischen Aufdachanlage: Solar-Dachziegel. Sie sehen aus wie herkömmliche Ziegel, bestehen jedoch aus gehärtetem Glas mit monokristallinen Solarzellen. Durchaus möglich also, dass eines Tages die komplette Gebäudehülle Energie produziert. Der Energiewende in den Städten würde es guttun.


Gebäude als Kraftwerke

Bei gebäudeintegrierter Photovoltaik werden Solarmodule nicht mehr auf dem Dach montiert, sondern in die Gebäudehülle integriert. Stromerzeugende Fassaden, Fenster oder Dachziegel sollen so künftig Solarenergie produzieren. Es gibt bereits mehrere Pilotprojekte. Die Technologie eignet sich vor allem für große Neubauten mit genügend Fassadenfläche wie Fabriken, Hochhäuser oder Bürokomplexe. Gebäudeintegrierte Photovoltaik ist besonders in Städten interessant, da es dort an Platz für Freiflächensolaranlagen mangelt. Zudem leben schon heute drei Viertel aller Deutschen in Städten, Tendenz steigend. Nur ein geringer Teil des städtischen Energiehungers lässt sich bisher mit erneuerbaren Energien stillen. Das könnte sich in Zukunft ändern, wenn die gesamte Gebäudehülle Sonnenenergie liefert.

Sie haben bereits eine Solaranlage auf Ihrem Dach installiert? Mit diesem Check halten Sie sie instand. Auch Mieter können Solarstrom nutzen, erfahren Sie hier wie.