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Mit Moos gegen den Feinstaub

Millionen Menschen sterben weltweit jedes Jahr vorzeitig durch Dreck in der Luft. Vier junge Berliner wollen das ändern – mit Moos.

Blauen Himmel? Kennen die Menschen in Shanghai nicht mehr, sagt Liang Wu. Einmal im Jahr besucht der Jungunternehmer aus Berlin seine Verwandten in der chinesischen 20-Millionen-Stadt. „Die Bewohner leben unter einer permanenten Dunstglocke. Jeder auf der Straße trägt Atemschutzmasken, in den Wohnungen surren Luftreiniger. Die dreckige Luft ist so normal, dass sie den Leuten schon gar nicht mehr auffällt.“ Als Wu seinen Bekannten Fotos aus Deutschland mit wolkenlosem Himmel zeigte, fragten sie ihn, ob sie retuschiert seien.

Von der Luftverschmutzung asiatischer Metropolen ist Europa zum Glück weit entfernt. Doch auch hier melden viele Städte überhöhte Werte für Feinstaub und Stickstoffdioxid. Laut einer Studie der Europäischen Umweltagentur sterben jährlich fast 470 000 Europäer vorzeitig durch Dreck in der Luft. 85 Prozent der Städter sind einer gesundheitsschädlichen Feinstaubbelastung ausgesetzt. „Feinstaub hat viele Quellen, nicht nur den Autoverkehr“, weiß Liang Wu: „Mit Fahrverboten allein, wie es derzeit viele Städte diskutieren, lässt sich das Problem daher nicht lösen.“
Gemeinsam mit dem Architekten Dénes Honus, dem Maschinenbauer Victor Splittgerber sowie dem Biologen und Gartenbauer Peter Sänger hat der Informatiker den City Tree entwickelt: eine drei Meter breite und vier Meter hohe Wand aus Moos, die der Luft Feinstaub und Stickoxide entzieht. Seit 2015 haben sie mit ihrem Start-up Green City Solutions schon fast zwei Dutzend Mooswände aufgestellt – an Straßen und Kreuzungen in Dresden, Oslo, Hongkong oder Paris. Jede einzelne filtert nach Angaben der Gründer so viel Feinstaub wie 275 Stadtbäume.

Riesen unterm Mikroskop

„Moose sind die perfekten Staubfänger. Da sie keine Wurzeln haben, nehmen sie Wasser und Nährstoffe über ihre Oberfläche auf“, erklärt Peter Sänger anhand einer stark vergrößerten Mikroskop-Aufnahme: „Sehen Sie, wie eng und aufrecht die winzigen Stämmchen nebeneinanderstehen. Dadurch hat das Moos eine riesige Oberfläche.“ Diese lädt sich elektrostatisch auf, sodass selbst feinste Partikel daran haften bleiben wie an einem Microfaser-Staubtuch.
Doch die Moose halten den Feinstaub nicht nur fest, sie verdauen ihn auch, weiß der Experte: „Ammonium ist ein wichtiger Nährstoff, den Moose zum Wachstum benötigen. Andere Feinstaub-Bestandteile bauen die Bakterien ab, die zwischen den Moosen leben. Unterm Strich bleibt vom Feinstaub nichts übrig.“ Damit sind Moose Bäumen als Schadstofffilter klar überlegen. Deren Blätter verschließen ihre Oberfläche, um Luftschadstoffe fernzuhalten. Der Feinstaub wird dann vom nächsten Regen abgewaschen.


Erhöhte Feinstaubwerte – Städte müssen handeln

Im Januar meldeten viele deutsche Städte überhöhte Feinstaubwerte. Kälte und Windstille hatten verhindert, dass die Schadstoffe abziehen konnten. Doch nicht nur im Winter kommt es zu Feinstaubalarm. Die feinen Partikel entweichen aus Fabrikschloten, Heizöfen und Autoauspuffen oder lösen sich als Abrieb von Bremsen und Reifen. Auch Düngemittel produzieren Dämpfe mit Feinstaub. Die Partikel sammeln sich vor allem in Bodennähe, werden durch Fahrzeuge aufgewirbelt und eingeatmet. Um den Dreck aus der Luft zu bekommen, haben Städte eine Reihe von Möglichkeiten: etwa Fahrverbote und Umweltzonen, in die nur saubere Fahrzeuge einfahren können; der schrittweise Umstieg auf Elektroautos; mehr Radwege und ein attraktiver öffentlicher Nahverkehr. Auch Pflanzen leisten einen Beitrag: Sie binden CO? und Stickoxide, produzieren Sauerstoff, kühlen bei Hitze und filtern Feinstaub. Jeder Einzelne kann die Luft verbessern, etwa indem er das Rad oder öffentliche Verkehrsmittel nutzt.

Mehr unter: www.duh.de


Feinstaub für den Stadtbaum

[contentImage source=“5529412″ desc=“Moose bilden keine Wurzeln. Wasser und Nährstoffe nehmen sie über die Oberfläche ihrer Blätter auf. Feinstaub gehört zu den Lieblingsspeisen der Moose.“ title=““ align=“rechts“ /]

Aber wie genau funktionieren die Mooswände? ­Zusammen mit Peter Sänger schauen wir uns den City Tree am Berliner Südkreuz an. Die Luft ist diesig. „Inversionswetterlage“, kommentiert der 25-Jährige. „Kühle Luft und Windstille halten die Abgase am Boden.“ Auf dem Bahnhofsvorplatz und der nahen Hauptstraße pusten Lkws, Autos und Busse Feinstaub und Stick­oxide in die Luft.

Viel zu tun für den City Tree vorm Bahnhof. 1682 Töpfe mit Moos haben die Gründer verbaut. Die Moose verstecken sich hinter Deckpflanzen, da sie sonst im Sommer bei praller Sonne austrocknen würden. „Schließlich sind sie feuchte, schattige Wälder gewöhnt“, sagt Sänger. Damit die Moose in der Stadt überleben, messen Sensoren in den Töpfen Feuchtigkeit und Nährstoffgehalt. Sind die Pflanzen zu trocken, füllt eine Pumpe Wasser nach, das ein 1000-Liter-Tank im Fuß der Konstruktion liefert. Mangelt es an Nährstoffen, mischt die Anlage eine Lösung zu. „Die intelligente Technik hilft uns herauszubekommen, wie es den Moosen geht. Jeder Kühlschrank kann heute smart gemacht werden, warum nicht auch Pflanzen?“
Mehr Infos: www.greencitysolutions.de