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„Kohlestrom ist zu billig!“

Deutschland produziert so viel Strom aus Braunkohle wie zu Zeiten der Wende. Energieexperte Lars-Arvid Brischke erklärt die Gründe.

Warum wird derzeit so viel Kohlestrom produziert wie seit 1990 nicht mehr?

Nach Fukushima sind acht Atommeiler vom Netz gegangen – da entsteht natürlich eine Lücke bei der Stromerzeugung. Diese Lücke
wurde teilweise mit Strom aus Braunkohle geschlossen. Energiewirtschaftlich ist das der Einsatzreihenfolge der Kraftwerke geschuldet, die durch die Grenzkosten der Stromerzeugung bestimmt
wird. Das bedeutet, es kommt zur Deckung des Strombedarfs immer zuerst das Kraftwerk zum Einsatz, bei dem die Kosten am geringsten sind. Erst wenn diese den Bedarf nicht mehr decken, laufen teurer arbeitende Kraftwerke an. Und aus Braunkohle kann Strom mit am kostengünstigsten produziert werden.

Ist Braunkohle als sogenannte Brückentechnologie notwendig?

Bei der Stromerzeugung liegt der Anteil der Erneuerbaren momentan um die 25 Prozent. Auf die Kernkraft entfallen etwa 15 Prozent. Da müssen zwangsläufig weitere Energieträger zum Einsatz
kommen. Erdgas setzt bei seiner Verbrennung deutlich weniger klimaschädliches CO2 frei, aber Gaskraftwerke sind im Betrieb teurer. Wie der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland zeigt, sollten wir uns auch nicht auf nur einen Energieträger verlassen. Das heißt, wir brauchen die heimische Braunkohle. Allerdings dürfen wir auf keinen Fall dauerhaft auf sie setzen. Es müssen wirtschaftliche und politische Hebel gefunden werden, um den Kohlestromanteil in den kommenden 10 bis 20 Jahren zu verringern.

Gibt es eine Möglichkeit, „sauberen“ Strom aus Kohle zu produzieren?

Die Schadstoffe bei der Stromproduktion wurden schon massiv reduziert. Trotzdem ist und bleibt Kohle aus Sicht des Klimaschutzes der schlechteste Energieträger.
Bei der Stromerzeugung aus Braunkohle wird im Vergleich zu Erdgas bis zu dreimal so viel KlimagasCO2 freigesetzt.

Wie lässt es sich verhindern, dass Braunkohle langfristig als Energieträger genutzt wird?

Braunkohle darf nicht mehr rentabel sein. Ein Instrument, um denPreis für Kohlestrom zu verteuern, ist der EU-Emissionshandel. Allerdings sind die Preise für Verschmutzungszertifikate zu niedrig. Und das obwohl die EU mit dem Backloading – also dem Zurückhalten von Zertifikaten – schon versucht hat, den Handel zu stärken. Die Klimaschutzstrategie sieht bis 2020 eine Reduktion der Emissionen von 40 Prozent und bis 2050 von 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 vor. Es gibt also einen Fahrplan für die Verringerung der Emissionen und damit
des Kohlestroms – er müsste nur konsequent eingehalten werden. Helfen kann dabei Druck von unten, also von Bürgern und Nichtregierungsorganisationen.

Sind Anlagen zur Produktion von erneuerbarer Energie überhaupt noch rentabel?

Da lässt sich klar sagen: Mit der Braunkohle können die Erneuerbaren noch nicht mithalten. Auch wenn nach hohen Anfangsinvestitionen die Kosten für Strom aus erneuerbaren Energien stetig sinken, Strom aus Braunkohle ist immer noch deutlich günstiger. Gesamtwirtschaftlich rechnen sich die Erneuerbaren im Moment nur, wenn man die externen Kosten mit einbezieht. Wer für die
kommenden 30 Jahre die Folgen der Umweltverschmutzung durch Braunkohle einrechnet, der stellt fest, dass erneuerbare Energie jetzt schon äußerst rentabel ist.


Energieforscher aus Leidenschaft

Dr.-Ing. Lars-Arvid Brischke arbeitet seit 2010 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) und ist zuständig
für erneuerbare Energien, Suffizienz, Stromeffizienz, energiepolitische Instrumente und nachhaltige Energiesysteme. Zuvor war er bei der Deutschen Energie-Agentur (dena) als Berater der Bundesregierung sowie bei europäischen Unternehmen und Institutionen tätig. Brischke promovierte in Energiesystemanalyse und Technikbewertung an der Universität Stuttgart.