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Gaswirtschaft will grüner werden

Gas, Deutschlands beliebteste Heizenergie, soll grüner werden – und damit auch den Umstieg auf erneuerbare Energien vorantreiben. Wie soll das gehen?

Das Gas, welches hierzulande Wohnungen und Firmenzentralen heizt und vielfältig in der Industrie eingesetzt wird, ist überwiegend Erdgas, stammt also aus Lagerstätten tief im Boden. Über riesige Pipelines gelangt es oft über Tausende Kilometer aus Russland, Norwegen und den Niederlanden hierher. Die Importabhängigkeit ist groß, die Importquote liegt bei 93 Prozent. Das soll sich ändern. Immer mehr Gas soll künftig aus heimischen Quellen stammen, und zwar nicht aus dem Boden, sondern erneuerbar produziert: synthetisch aus überschüssiger Wind- und Sonnenenergie oder aus nachwachsenden Rohstoffen als Biogas.

„Grünes“ Gas mit Potenzial

Gas ist in Deutschland einer der wichtigsten Energieträger. Der Erdgasverbrauch lag 2015 bei 849,8 Milliarden Kilowattstunden (kWh). Zum Vergleich: Der gesamte Stromverbrauch betrug im gleichen Jahr 524,6 Milliarden kWh. 49,4 Prozent der 41,5 Millionen Wohnungen im Bestand (2016: 20,5 Millionen Haushalte) in Deutschland nutzen Gas zum Heizen. Das ist knapp die Hälfte aller Haushalte. Und auch bei den Neubauten entscheiden sich rund die Hälfte aller Bauherren für Gas. Das hat gute Gründe: Gas ist einfach zu handhaben, kommt per Leitung ins Haus, ist absolut zuverlässig und hat die beste Umweltbilanz aller fossilen Energieträger. Die noch weiter zu verbessern ist das große Vorhaben. Ziel ist es, den Anteil von erneuerbarem Gas am Gesamtverbrauch auf bis zu 35 Prozent zu steigern. Das ist sehr ehrgeizig, aber machbar. Folgende Zahlen verdeutlichen die Herausforderung: Bisher, 2016, speisen 196 Biogasanlagen erst 9,4 Milliarden kWh Biogas in das Gasnetz ein, der Anteil grünen Gases liegt also bei 1 Prozent.

Trotz dieses geringen Anteils erfüllt Biogas eine wichtige Funktion im Konzert der erneuerbaren Energien. Denn es wird rund ums Jahr kontinuierlich erzeugt und kann sofort einspringen, wenn Wind- und Sonnenenergie eine Pause einlegen, besonders also bei einer sogenannten „Dunkelflaute“. Doch auch wenn die Erzeugung von Biogas kontinuierlich steigt, könnte Gas damit alleine niemals so grün werden wie jetzt beabsichtigt. Dafür setzt die Branche auf eine neue Technologie, die bereits die Stufe der großtechnischen Erprobung erreicht hat: Power-to-Gas.

Gasnetz als Grünstrom-Lager

Die „Power“ liefern Windräder und Solaranlagen. Denn die liefern auch dann grünen Strom, wenn gerade nicht so viel gebraucht wird. Bisher mussten deshalb Anlagen abgeriegelt werden, oder der Grünstrom wurde kostenlos in Nachbarländer abgeleitet, damit das Stromnetz nicht überlastet. Bald sollen stattdessen die neuen technologischen Hoffnungsträger, die Power-to-Gas-Anlagen, anspringen und mit dem überschüssigen grünen Strom ebenso grünes Gas erzeugen. Wie das geht, haben zunächst findige Chemiker herausgefunden, und anschließend haben ebenso findige Anlagenbauer die dafür erforderliche Technologie entwickelt: Mit dem grünen Strom wird Wasser (H2O) durch Elektrolyse in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) aufgespalten. Der Wasserstoff kann entweder dem Erdgas in einer Konzentration von 2 bis 10 Prozent direkt zugesetzt werden. Das scheint wenig, ist aber eine immense Menge. Oder der Wasserstoff wird in einem zusätzlichen Schritt durch Zusetzen von Kohlendioxid zu Methangas veredelt. Kohlendioxid, sonst als Klimakiller in Verruf, könnte hier also segensreiche Dienste leisten. Denn das damit erzeugte Methangas ist nichts anderes als synthetisches Erdgas, das im weitverzweigten Gasnetz und in den Gasspeichern zwischengelagert wird, bis es entweder wieder zur Stromerzeugung gebraucht wird oder zum Heizen sowie als Kraftstoff zum Einsatz kommt.

Das Geniale an diesem Zusammenspiel von Gasnetz mit Wind- und Sonnenenergie: Es muss kein zusätzlicher Speicher gebaut werden, wie das beim Zwischenlagern in Batterien notwendig wäre. Nahezu unendlich viel Speicherkapazität ist bereits vorhanden. Das engmaschige deutsche Gasverteilnetz hat eine Länge von 479.000 Kilometern, reicht also rechnerisch fast 13-mal um den Erdball und kann für viele Milliarden Kilowattstunden grüner Energie als Ausgleichslager dienen. Hinzu kommen 49 Untertage-Speicher für Gas, die zusätzlich ein Viertel der in Deutschland im Jahr verbrauchten Gasmenge vorhalten können. Die Deutsche Gaswirtschaft verfügt damit über das mit Abstand größte Speichervolumen in Europa. Mit Power-to-Gas und dem Gasnetz im Rücken kann die Energiewende deshalb ganz neuen Schwung bekommen.

Wenn die Technik nur schon so weit wäre…

Power-to-Gas ist momentan noch eine Zukunftstechnologie. Die Technik funktioniert zwar, und es gibt inzwischen in Deutschland auch 35 Forschungs- und Pilotanlagen, die erfolgreich laufen. Aber alle Betreiber und Ingenieure arbeiten sich momentan noch an einem zentralen Problem ab: der mangelnden Effizienz der Anlagen und der deshalb viel zu hohen Kosten pro erzeugter Kilowattstunde. Der Umwandlungsverlust liegt Experten zufolge zurzeit im Schnitt bei 50 Prozent. Das heißt, die Technik der Elektrolyse und der Methanisierung des Wind- und Sonnenstroms frisst selbst noch die Hälfte der eingesetzten Energie. Um kostendeckend zu arbeiten, müssten die Anlagen nahezu rund um die Uhr laufen. Doch dafür wiederum gibt es noch zu wenige und zu schwankende Überschüsse an grünem Strom.

Trotzdem kommt eine Praxisstudie der „Initiative Zukunft Erdgas“ nach der Befragung vieler Experten zu dem Ergebnis, dass Power-to-Gas eine große Zukunft hat. Die meisten der Befragten haben dabei das Jahr 2030 im Blick: Bis dahin sollte die Power-to-Gas-Technik so große Effizienz-Fortschritte erreicht haben, dass das damit erzeugte synthetische Gas wettbewerbsfähig ist. Es braucht also noch ein wenig Geduld, bis sich das Gas und das Gasnetz kräftig grün färben und als riesige Batterie die Energiewende auf die Zielgerade bringen.