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Smart-Grid: Top oder Flop?


Erneuerbare Energien ins Stromnetz zu integrieren, ist eine Herausforderung. Intelligente Netze und Zähler helfen dabei. Was bedeutet das für Verbraucher?

Der 2200-Watt-Haartrockner im Bad wird angeschaltet und prompt fängt das Zählerrad des Stromzählers an zu rasen. Dieses und ähnliche Bilder sollen bald der Vergangenheit angehören. Während vor allem ältere Gebäude immer noch über die analogen Messgeräte verfügen, werden in neuen Bauten bereits „intelligente“ digitale Zähler eingebaut. Hier gibt es kein Rädchen mehr anhand dessen der Stromverbrauch optisch mitverfolgt werden kann.

Was ist Smart Grid?

Die neue Technologie, die nun immer häufiger zum Einsatz kommt nennt sich Smart Grid. „Grid“ ist dabei die Bezeichnung für eine Netz-Architektur zur Energieübertragung. Im Alltagsgebrauch wird anstelle von Smart Grid auch vom intelligenten Stromnetz gesprochen. Doch wozu wird so eine Netzstruktur überhaupt benötigt?
Die fehlende Speichermöglichkeit regenerativer Energieformen stellt die Strombetreiber vor eine Herausforderung.

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Die Quellen, aus denen Energie gewonnen wird, wandeln sich. Neben großen Kohle- und Atomkraftwerken gibt es viele kleinere Kraftwerke wie Biogas-, Photovoltaik-, Wind- und Wasserkraftanlagen. Während bislang die Stromnetze zum Großteil zentral gesteuert werden, geht die Entwicklung in Richtung dezentrale Erzeugung. Für viele Gemeinden und Städte ist das eine positive Entwicklung, da es eine stärkere Unabhängigkeit von großen Stromversorgern bedeutet. Durch Dezentralität wird aber auch die benötigte Infrastruktur komplexer. Um die Netzstabilität aufrecht zu erhalten, müssen die Lasten richtig verteilt und die entsprechende Spannung im Verteilernetz gehalten werden. Dazu sind Smart Grids nötig.

Das intelligente Stromnetz vernetzt Stromerzeuger, Versorger, Speicher und Verbraucher. Der Stromerzeuger erfährt, wann und wo wieviel Strom verbraucht wird. Gleichzeitig kann der Energieversorger über das Stromnetz mit den digitalen Stromzählern des Verbrauchers kommunizieren. So ist es zum Beispiel möglich, dem Zähler Informationen über den aktuellen Strompreis mitzuteilen. Der Verbraucher kann nachvollziehen, welches Gerät wie viel Energie benötigt und was der Strom gerade kostet. Das macht es möglich, Stromfresser zu entlarven und Geräte dann ans Stromnetz anschließen, wenn gerade viel Energie vorhanden und der Preis deshalb günstig ist. Dadurch kann Smart Grid eine effektive Methode zum Strom sparen werden.

Ist weniger Energie auf dem Markt vorhanden ist, teilt das intelligente Netz dies den Verbrauchern mit, die im Idealfall daraufhin nicht benötigte Haushaltsgeräte abschalten. Durch diese Flexibilität lassen sich Leistungsspitzen vermeiden und gleichzeitig für den Verbraucher Kosten einsparen. So lange es noch keine effektiven Speichermöglichkeiten für Energien aus regenerativen Quellen gibt, ist das intelligente Stromnetz die einzig gute Option, um Schwankungen auszugleichen, die die Erneuerbaren mit sich bringen.

Im Fokus steht das Smart-Meter

Ohne den entsprechenden Stromzähler kann das intelligente Stromnetz nicht richtig arbeiten. Es bedarf eines Stromzählers, der mit dem Netz kommunizieren kann: das Smart-Meter. Ein Smart Meter misst den verbrauchten Strom und leitet die Information über die Netzarchitektur an den Energieversorger weiter.

Anders als bei analogen Stromzählern messen Smart-Meter nicht einfach den Gesamtstromverbrauch, sondern können jedem einzelnen Gerät die jeweils verbrauchte Strommenge zuordnen. Zudem übertragt der moderne Strommesser auf digitalem Weg regelmäßige die verbrauchte Strommenge an den Energieversorger.

Smart Meter wird Pflicht

Für Großkunden sind diese Zähler schon seit den 1990er Jahren im Einsatz, seit 2010 auch für Privathaushalte. Ausschlaggebend hierfür war die EU-Richtlinie 2009/72 EG, wonach bis zum Jahr 2020 insgesamt 80 Prozent aller Haushalte mit Smart-Metern ausgestattet sein sollen. In Neubauten und bei umfangreichen Renovierungen ist der Einbau daher seit 2010 Vorschrift. Eine Smart-Meter-Pflicht für Bestandsbauten tritt ab 2017 in Kraft. Zunächst gilt sie nur für Großkunden mit einem Verbrauch von mehr als 10.000 Kilowattstunden im Jahr. Ab 2020 müssen auch Privathaushalt, deren Verbrauch 6.000 Kilowattstunden im Jahr übersteigt, die intelligenten Zähler einbauen. Bei kleineren Haushalten darf der Energieversorger entscheiden, welche Stromzähler installiert werden. Die Installation wird, wie bei den vorherigen Stromzählern auch, vom Energieversorger übernommen.

Seit langem geplant

[contentImage source=“5184365″ desc=“Nicht jeder digitale Zähler ist smart: Das Smart-Meter ist ein digitaler Stromzähler mit einem integrierten Daten-Übertragungsmodul“ title=““ align=“rechts“ /]

Damit kommt ein wesentlicher Baustein der Energiewende langsam ins Rollen. Wie langsam der ganze Entwicklungsprozess tatsächlich ist, wird erst dadurch deutlich, dass bereits 2007 über ein intelligentes Stromnetz nachgedacht wurde. Damals gab es ein Eckpunktpapier für ein integrierte Energie-und Klimaprogramm. Darin ist das Ziel formuliert, „neue Technologien im liberalisierten Strom-Messwesen zu zeitgenauen Verbrauchsmessung als Voraussetzung für Stromeinsparungen“ zügig zu verbreiten. So hatte die Politik damals schon erkannt, dass die Ermittlung des Stromverbrauchs in Deutschland „nicht auf der Höhe der Zeit“ ist. – Jetzt, neun Jahre später, nimmt die damalige Zielformulierung erste Formen an.

Mehrwert für Verbraucher ist fraglich

Den allwissenden Zähler gibt es allerdings nicht umsonst. Zusätzlich zu den Installationskosten eines Smart Meters, die zwischen 100 und 220 Euro liegen, fallen weiter Kosten an. Die Energieversorger verlangen eine jährliche Nutzungsgebühr, die je nach Anbieter zwischen 30 und 95 Euro variiert. Dazu kommen Kosten für das Datenvolumen, da die Daten per Internet an den Versorger übermittelt werden. Diese Kosten müssen durch den Nutzen des Smart Meters erst wieder hereinkommen.

Diese Kosten müssen durch den Nutzen des Smart Meters erst wieder hereinkommen. Der hauptsächliche Mehrwert der Geräte für den Verbraucher soll darin bestehen, dass der eigene Stromverbrauch besser kontrolliert und nachvollzogen werden kann. Stromfresser können so leicht erkannt und ausgetauscht werden. Kritiker sehen das anders. Ihr Argument: Smart Meter kosten viel und sparen wenig. Klaus Müller, Chef der Verbraucherzentrale des Bundesverbands, bezweifelt, ob sich die Mehrkosten wirklich kompensieren lassen.
Datenschutz gefährdet?

Auch Datenschützer sehen Smart Meter kritisch. Rein technisch ist es möglich, dass der Energieversorger die genauen Verbrauchsgewohnheiten seiner Kunden nachprüft. Zu welcher Zeit wurde die Wäsche gewaschen? Wann wurde die Kaffeemaschine bedient? Wurde der Haartrockner benutzt? So ließe sich ein genaues Gewohnheitsprofil der Verbraucher erstellen. Dieser mögliche Eingriff in die Privatsphäre hat den Bundesrat dazu bewogen, bei der Einführungen des Smart Meters Änderungen zu fordern: „Die Verbrauchsinformationen sollten nur insoweit übermittelt werden, als dass es erforderlich sei, um die Produkte messen und abrechnen zu können.“ Damit müssen noch offene Fragen zum Datenschutz und der Datensicherheit geregelt werden:

  • Wie detailliert findet die Verbrauchserfassung statt?
  • Was geschieht mit den Daten, die vom Energieversorger gespeichert werden?
  • Wie und wie lange werden die Daten beim Energieversorger aufbewahrt?

Unabhängig von möglichen Hackerangriffen, die illegal Kundendaten abgreifen, muss auch geklärt werden, ob Energieversorger die Kundendaten an Dritte weiterverkaufen dürfen. Außerdem stellt sich die Frage, wer haftet, wenn es zu einem Datenausfall kommt? In so einem Fall wird zwar weiterhin Strom an den Verbraucher geliefert, aber die Menge des Stroms wird nicht festgehalten. Bisher berechnen Energieversorger in solchen Fällen gerne Pauschalen, die manchmal mal über dem gewohnten Stromverbrauch liegen.

Die Frage ist also, ob die Smart Grid Technologie wirklich schon ausgereift ist. Es sind noch jede Menge Fragen zu Sicherheit, Datenschutz und Haftung zu klären. Viel Zeit bleibt nicht mehr, schließlich beginnt die Nutzungspflicht für die ersten Kunden schon im nächsten Jahr.