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Cabin Spacey – Das Haus auf einem Haus

In Großstädten ist Wohnraum Mangelware. Was wäre, wenn man sein Haus einfach auf das Dach eines anderen stellen könnte?

Die Architekten Simon Becker und Andreas Rauch hat die Wohnungsnot auf eine clevere Idee gebracht: ein Haus auf dem Haus. Simon Becker über das Potenzial ungenutzter Dachflächen, Wohnkabinen im Anflug und deutsche Gründerkultur.

Herr Becker, warum steigen Sie den Häusern aufs Dach?

Weil Dachflächen ein riesiges Potenzial bieten. Berlin platzt aus allen Nähten: Wohnungsnot an jeder Ecke. Steht man oben auf dem Fernsehturm am Alex und blickt über die Stadt, sieht man Tausende ungenutzter Flachdächer. Die wollen wir nutzbar machen – mit einem Mini-Haus auf dem Dach. Komplett aus Holz, mit angenehmem Wohnklima, geringem Energieverbrauch und unschlagbarer Aussicht. Die fertige Cabin ist 25 Quadratmeter groß: Ein Serienmodell, das sich aber für jedes Dach und jeden Standort anpassen lässt.

Wie kommt das Mini-Haus hinauf? Ich stell mir das ziemlich aufwändig vor…

Klar, ganz einfach ist das nicht. Die Cabin kommt mit dem Tieflader und wird per Kran hochgehievt. Bei den engen Häuserschluchten in der Stadt ist das schon etwas tricky. Das Ding wiegt zwischen 8 und 14 Tonnen. Es braucht deshalb eine spezielle „Dockingstation“, die die Lasten abträgt und über die das Mini-Haus an das vorhandene Leitungsnetz angeschlossen wird.

Haben Sie schon Dächer?

Wir sind dran. Wir kooperieren mit einer Berliner Wohnungsbaugesellschaft. Momentan prüfen wir, welche Dächer geeignet sind. Potenziell stehen uns mehr als 20.000 Quadratmeter Dachfläche in Berlin zur Verfügung – pessimistisch geschätzt. Es sind jetzt noch einige behördliche Hürden zu nehmen, aber sobald klar ist, dass unser Bauvorhaben läuft, geht der Auftrag an den Hersteller raus. Sechs Wochen später wird die erste Cabin angeliefert.

Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen?

Ich habe mich aber schon lange vorher mit dem Thema „Wohnen auf kleinem Raum“ befasst – das ist so eine Lieblingsdisziplin von Architekten. (lacht) Ich hatte auf meinem Rechner einen Ordner voll mit Ideen für Tiny Houses aus aller Welt. Das war anfangs mehr eine private Leidenschaft.

Und wie ist daraus Ihre Firma entstanden?

Ich arbeite nebenher in einem Ökodesign-Shop, der auch Möbel herstellt. Eines Tages fragte mich ein Kunde nach einem Entwurf für ein mobiles Haus. Er sprang zwar ab, aber die Idee war plötzlich greifbar und wir waren schon mitten in der Entwicklung. Deshalb haben wir uns gesagt: Das macht Spaß, das funktioniert – machen wir etwas draus!

Was unterscheidet eure Cabin von anderen Tiny Houses, die es auf dem Markt gibt?

Es gibt in der Tat viele Konzepte – aber die meisten nutzen billige Leichtbauweisen. Alles wird aus Verbundwertstoffen zusammengesetzt – das ist für mich Sondermüll, darin würde ich nicht wohnen wollen. Das ist nicht nur ökologisch bedenklich, sondern auch unkomfortabel. Wenn du in so einer Hütte Spaghetti kochst, rinnt das Kondenswasser von den Wänden, es schimmelt schnell, ein total ungesundes Wohnklima. Das kann es nicht sein. Wir setzen stattdessen auf Qualität und wählen unsere Materialien sorgfältig aus. Vor allem Holz hat es uns angetan: ein ökologischer High-Tech-Werkstoff, den man nicht mal zusätzlich dämmen muss. Holz ist nicht nur funktional, schön und wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus. Die in Zirbelholz enthaltenen Öle fördern zum Beispiel die Schlafqualität.

Wie mobil ist das Mini-Haus?

Nicht so mobil wie ein Wohnwagen. Aber wenn man sich nach ein paar Jahren entscheidet: „Jetzt hab ich genug von der Stadt, ich ziehe an einen See oder ins Skigebiet“, dann hat man die Möglichkeit, sein Haus mitzunehmen.

Ich kann das Haus auch am Boden nutzen?

Sicher. Wir konzentrieren uns zwar auf die Nutzung von Dächern – aber wenn sich jemand eine von unseren Cabins an den Wannsee stellen möchte, liefern wir gern auch dorthin. Sie auf dem Dach aufzustellen, ist die größere Herausforderung, es bietet aber eben auch eine vielversprechende Ressource.

Welche Chancen sehen Sie für Ihre Erfindung – wohin kann es in Zukunft gehen?

Am Nutzen mangelt es nicht. Auch nicht an Kunden und geeigneten Dächern. Die Leute wollen das! Vor allem Immobilienbesitzer sehen eine Chance, aus ihren Dachflächen Gewinn zu schlagen. Jetzt ist es unser Job, Baugenehmigungen einzuholen. Das ist Bürokratie, aber eine Aufgabe, die wir als Architekten gut kennen. Wenn die ersten Cabins stehen, werden weitere Interessenten folgen, die sehen: „Hey, das haut hin und damit lässt sich Geld verdienen!“
Außerdem haben wir die Idee, ein Betreibermodell aufzubauen – ähnlich wie beim Carsharing. Wir vermieten die Cabins dann an Leute, die gern mobil und unabhängig sind und gar kein eigenes Haus haben möchten.

Wow, da haben Sie viel vor. Das erfordert sicher Mut! Glauben Sie, dass man ein besonderer Typ Mensch sein muss, um ein Startup zu gründen?

Wahrscheinlich schon. Ich habe mich direkt nach dem Studium entschieden, dass ich mehr will, als den klassischen Architekten-Job. Und überhaupt: Was ist denn der Job eines Architekten? Häuser bauen? Das können auch Bauunternehmen. Design und Planung? Das reicht mir nicht. Ich wollte Verantwortung, selber in den Ring steigen und Konzepte umsetzen. Denn wenn man das der Industrie überlässt, dann bleiben wir bei den schnellen, billigen Lösungen.
Die kaufmännische Komponente spielt aber natürlich auch eine wichtige Rolle, die kommt im Studium viel zu kurz. Genau das ist das Problem vieler Architekturbüros: Sie arbeiten nicht wirtschaftlich. Der Chef ist Architekt, kein Ökonom. Das ist nicht unser Ansatz. Wir möchten unser Konzept kommerziell vertreiben – und setzen dabei auf Qualität.

Ist es in Deutschland für Gründer schwerer als anderswo?

Ja, das kann man so sagen. Wir waren Anfang des Jahres in Austin, Texas, wo ein ähnlicher Anbieter wie wir mit nur einem Jahr Vorsprung schon 50 Mitarbeiter und zehn Millionen Euro Funding hat. Das ist ein riesiger Kulturunterschied! Es gibt hier wenig Förderung von Seiten der Regierung und die Risikokapitalgeber sind extrem skeptisch. Wir sind da leider gegenüber den USA Jahrzehnte hinterher. Aber man sollte sich die „Meckerkultur“ abgewöhnen und einfach gucken: Was sind die Voraussetzungen und wie gehen wir damit um? Wir wollen zeigen, dass es trotzdem geht. Und jedes erfolgreiche Beispiel trägt dazu bei, dass sich die Kultur Stück für Stück ändert.