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Effizientere Stromnetze

Der Ausbau der Stromnetze stockt und verzögert die Energiewende. Dabei ließen sich die bestehenden Leitungen effizienter nutzen.

Schon heute decken Wind-, Solar- und Bioenergie mehr als 40 Prozent des Strombedarfs in Deutschland. Bis 2030 will die Bundesregierung den Anteil sogar auf 65 Prozent ausbauen. Dafür reicht es nicht, Solarparks und Windräder zu installieren. Bestehende Stromleitungen müssen ausgebaut und große Überlandleitungen installiert werden, um Windstrom aus dem Norden in die südlichen Industriezentren zu transportieren – dorthin, wo bis 2022 die letzten Atomkraftwerke vom Netz gehen.

Doch bislang bleibt der Ausbau der Übertragungsnetze hinter dem Ausbau der erneuerbaren Energien zurück. Künftig müssen beide stärker synchronisiert werden. Denn die 65 Prozent lassen sich nur erreichen, wenn die Stromnetze für die Einspeisung von so viel Ökostrom auch gerüstet sind.

Derzeit müssen die Netzbetreiber noch häufig eingreifen, um die Energieversorgung stabil zu halten: etwa indem sie Windräder kurzzeitig vom Netz nehmen, wenn lokale Leitungen die Energie nicht aufnehmen können. Die Berliner Denkfabrik Agora Energiewende hat daher zwölf Maßnahmen zur Netzmodernisierung vorgeschlagen. Zwar soll auch der Netzausbau selbst beschleunigt werden, zum Beispiel durch einfachere Planungsverfahren; die Vorschläge zielen jedoch vor allem darauf ab, das bestehende Netz besser zu nutzen – zum Beispiel durch neue Techniken wie Temperaturkontrollen bei Leitungen oder eine effektivere Steuerung von Lastflüssen.

Wie entsteht mehr Ökostrom?

Prinzipiell könnten die Stromnetze einen Erneuerbare-Energien-Anteil von 65 Prozent vertragen, versichern die Experten der Agora Energiewende – vorausgesetzt, die Möglichkeiten zur Steigerung der Übertragungskapazität werden konsequent genutzt. Einige der Ideen haben Politik und Netzbetreiber inzwischen aufgegriffen. Hier vier Vorschläge aus dem Zwölf-Punkte-Programm im Kurzporträt, die sich sofort umsetzen lassen.

  • Leitungstemperatur messen: Freileitungen aus Stahl und Aluminium erwärmen sich beim Transport der Energie. Je mehr Strom ein Leiterseil aufnimmt, desto heißer wird es. Die Folge: Es dehnt sich aus und hängt durch. Um elektrische Überschläge auf den Erdboden oder Gebäude zu vermeiden, wird die Maximaltemperatur üblicherweise auf 80 Grad Celsius begrenzt. Dabei bleiben die Witterungsverhältnisse jedoch unberücksichtigt: Kühlt Wind die Leitung, könnte sie ohne Weiteres mehr Strom aufnehmen. Ein Freileitungsmonitoring würde eine bessere Auslastung der Bestandsnetze erlauben. Dabei messen Sensoren die tatsächliche Betriebstemperatur der Leiterseile, sodass bei Wind mehr Strom durchgeleitet werden kann.
  • Energie zwischenspeichern: Wind- und Solarparks produzieren je nach Witterung unterschiedlich viel Strom. Die schwankende Erzeugung verlangt mehr und bessere Speichermöglichkeiten. „Netzbooster“ können Engpässen vorbeugen. Dabei handelt es sich um große Batteriespeicher an neuralgischen Punkten im Netz, die überschüssigen Strom innerhalb von Sekunden aufnehmen oder abgeben, wenn er knapp wird. Auch schnelle Gasturbinen oder „Power-to-heat“-Anlagen, die Strom in Wärme oder Wärme in Strom zurückverwandeln, gleichen kurzfristige Bedarfsschwankungen aus. Viele teure Regelmaßnahmen und manchmal sogar das Abschalten erneuerbarer Kraftwerke würden durch den gezielten Einsatz von Netzboostern überflüssig.
  • Strom umleiten: Eine bessere Lastflusssteuerung bezieht weniger ausgelastete Leitungen in den Stromtransport ein. Sie kann kostspielige Maßnahmen der Netzbetreiber, um Leitungsüberlastungen zu vermeiden, teilweise ersetzen. Je gleichmäßiger nämlich der Strom fließt, umso besser werden Leitungen und Transformatoren ausgelastet. Eine intelligente Steuerung der Stromflüsse kann helfen, kritische Situationen von vornherein zu vermeiden, das Netz ist zudem kostengünstiger zu betreiben. Viele Steuerungsvorgänge ließen sich durch Computer automatisieren; ohne zusätzliche Phasenschieber-Trafos in den Umspannwerken und ohne Absprache zwischen den Netzbetreibern kann eine Lastflusssteuerung allerdings nicht funktionieren.
  • Hochtemperatur-Leiterseile: Um zu verhindern, dass Leitungen bei starkem Stromfluss durchhängen, werden in einigen Netzabschnitten Hochtemperatur-Leiterseile (HTLS) eingesetzt. Dank ihrer hochwertigen Aluminiumlegierung vertragen sie höhere Betriebstemperaturen, dehnen sich nur geringfügig aus und können mehr Strom durchleiten. Allerdings sind HTLS deutlich teurer als Standardseile. Zudem kommen sie wegen ihres höheren Gewichts nicht überall infrage. Unter Umständen müssen Masten verstärkt oder ersetzt werden, um die schwereren Leiterseile zu tragen. Ein flächendeckender Einsatz kommt daher aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Frage. Für einzelne, hochbelastete Abschnitte können die neuen Seile aber durchaus sinnvoll sein.

Weitere Ideen für ein besseres Netz

Dr. Stephanie Ropenus und ihre Kollegen vom Berliner „Denk- und Politiklabor“ Agora Energiewende schlagen ein Zwölf-Punkte-Programm zur Netzmodernisierung vor.Im Interview beschreibt Dr. Stephanie Ropenus, wie sich bestehende Stromnetze effektiver nutzen lassen und die Stromversorgung intelligenter wird.