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Boyan Slat befreit Ozeane von Plastik

Mit treibenden Barrieren will Boyan Slat die Ozeane von Plastik befreien. Das Pilotprojekt seiner Firma The Ocean Cleanup ist seit Oktober im Einsatz.

Boyan Slats Mission klingt wie der Traum eines Kindes: die Weltmeere vorm Plastikmüll retten. Seit acht Jahren verfolgt der 24-Jährige Niederländer dieses Ziel, Fachleute taten es anfangs als Spinnerei ab. Doch inzwischen zollen ihm selbst Kritiker Respekt, und Slat ist seinem Traum einen großen Schritt näher gekommen. „Das Aufräumen beginnt: System 001 ist angekommen“, meldete sein Unternehmen The Ocean Cleanup am 19. Oktober 2018.

System 001, genannt „Wilson“, treibt im Nordpazifikwirbel zwischen den Küsten von Kalifornien und Hawaii, wo die größte Müllhalde der Welt schwappt. Die frei schwimmende Anlage besteht aus einer schwarzen, etwa 600 Meter langen Kunststoffröhre von anderthalb Metern Durchmesser, an der eine drei Meter lange Schürze ins Wasser hängt. In der Strömung formt sich die mit Stabilisatoren, Kameras, Sensoren und Lichtern ausgestattete Barriere zu einem U. Damit bildet „Wilson“ eine Art künstliche Küste im Ozean, an der massenhaft Plastik anlanden soll. Teile an der Wasseroberfläche bleiben am Schlauch hängen, tiefer treibender Müll am Vorhang, unter dem Meerestiere hindurchschwimmen können. Das gesammelte Plastik soll mit Schiffsmüllabfuhren an Land gebracht und recycelt werden.

Die Idee zu Ocean Cleanup

Aufmerksam auf das Ausmaß der Meeresverschmutzung wurde der Niederländer 2010 während eines Tauchurlaubs vor der griechischen Insel Lesbos. Dort sah er mehr Plastiktüten als Fische im Wasser. Entsetzt beschloss der technikaffine Teenager, nach einer Lösung zu forschen. Als Kind hatte Slat seine Erfindungsgabe beim Bau von Baumhäusern mit Seilbahn und selbst konstruierter Raketen erprobt. Jetzt vertiefte er sich bei einer Projektarbeit in der Schule in das Thema. Ein halbes Jahr tüftelte er mit einem Freund daran, Plastik effizient aus dem Meer zu fischen, ohne das Ökosystem zu belasten. Ihr Vorschlag: Die Meeresströmung könnte den Müll gegen eine bewegliche Barriere treiben, an der er abgeschöpft würde. Sie gewannen damit einen Schülerwettbewerb. Kurze Zeit später begann Slat ein Studium der Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität von Delft. Dort lud man ihn 2012 zu einer TEDx-Konferenz ein, auf der Fachleute innovative Ideen vorstellten. Im Internet wurde sein Vortragsvideo danach millionenfach angeklickt. Slat erhielt begeisterte E-Mails. Experten kritisierten seine Idee dagegen als naiv und nicht realisierbar.

Boyan Slat gegen alle Kritik

Doch der dunkelhaarige Wuschelkopf ließ sich nicht beirren und scharte ein Team von 100 Professoren und Ingenieuren um sich, das seine Vision prüfte. 2014 sammelte er über ein Crowdfunding in 100 Tagen rund 2,2 Millionen US-Dollar Spenden. Zwischenzeitlich brach Slat sein Studium ab und gründete The Ocean Cleanup. Auf Expeditionen erforschte das Unternehmen, wie sich Plastikmüll im Wasser verteilt, analysierte mehr als eine Million herausgefischter Teile auf Größe, Gewicht und Qualität und erfasste die Konzentration kartografisch.

Parallel testete Slat Modelle für eine Sammelanlage auf dem Meer, die er ständig verbesserte. Nach sechs Prototypen gab er 2017 die Produktion des Pilotmodells in Auftrag. Im September 2018 nahm System 001 von San Francisco aus Kurs auf den 2 000 Kilometer entfernten Nordpazifikwirbel. „Erstes Plastik“, twitterte Slat kurze Zeit später. Neben kleinen Teilchen hatte „Wilson“ fünf Fischernetze, zwei Plastikkisten und einige Plastikflaschen gefangen.

Bei aller Bewunderung für seine Innovationskraft sind die kritischen Stimmen nicht ganz verstummt. Das Projekt packe das Problem nicht bei seiner Wurzel, der Entstehung des Mülls. Zudem bezweifeln Wissenschaftler, dass die Anlage relevante Mengen sammeln kann: Der Löwenanteil an Plastik sei zu winzig, der Müll versinke zudem in Tiefen, in denen das System nichts ausrichten kann. Auch Slat weiß, dass sich seine Anlage erst unter realen Bedingungen beweisen muss. Doch an seiner Mission, die Meere aufzuräumen, zweifelt er nicht: „Jemand muss es tun. So ist es einfach.“ Für viele ist Slats Projekt bereits jetzt ein Erfolg. The Ocean Cleanup hat weltweit mehr Bewusstsein für die Gefährdung der Meere durch Plastik geschaffen als jede andere Aktion.

Plastik als Gefahr

Vom Fischernetz bis zu winzigen Plastikpartikeln: Kunststoffe im Meer sind vor allem für Tiere eine große Gefahr.

  • Gefangen: „Geisternetze“ von Fischerbooten beschädigen Riffs und bleiben an Felsen hängen. Fische, Schildkröten, Meeressäuger und Seevögel verfangen sich leicht darin, werden verletzt oder verenden.
  • Verhungert: Seevögel und andere Meerestiere verwechseln Plastikteile mit Nahrung, fressen sie und verhungern mit vollem Magen.
  • Geschwächt: Seepocken und Muscheln können durch starken Plastikmüll weniger Wasser filtern und sterben früher.
  • Übertragen: Über die Nahrungskette breitet sich die Belastung bis zum Menschen aus. Ob bei Fischen Mikroplastikpartikel vom Magen-Darm-Trakt ins Muskelfleisch übergehen, ist noch nicht geklärt: Falls dies geschieht, könnten nach dem Verzehr auch im menschlichen Körper Entzündungen auftreten.

Plastikfrei leben

Ist es eigentlich möglich, Plastik im Alltag komplett zu vermeiden oder wenigstens zu reduzieren? Unsere Autorin hat das eine Woche lang versucht. Hier beschreibt sie, was sie erlebt hat und welche Tipps und Tricks sie weitergeben kann.