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Reparatur-Café

Kann man das noch reparieren? Im Reparatur-Café bestimmt. Wir zeigen Ihnen, wie Sie Ihre alten Schätzchen retten können.

Unsere Autorin Hilda fragt sich, was wohl aus ihrem alten Radio-Kassetten-Rekorder wird. Die Tüftler im Reparatur-Café bringen den Sound ihrer Jugend zurück.

Eim Umzug hatte ich das Teil wieder in der Hand – mein gutes altes Radio, eingestaubt im hintersten Eck des Kellers. Schon meine Teenietage hatte es begleitet, als wir im Kinderzimmer die coole Musik der Spätsendung aufnahmen – auf Kassetten. Das waren Zeiten! Und tatsächlich: Im Kassettendeck fand ich noch so ein Mixtape. Darauf stand in geschwungenen Lettern: Rap-Mix 1995. Ein Geschenk von Max, meinem damaligen Schwarm. Wochenlang trug ich es im Walkman mit mir rum und lief auf Wolke sieben. Allein der Anblick des Rekorders beamte mich in frühere Zeiten. Umso gespannter war ich auf den Sound. Plötzlich fand ich die Idee, mir einen WLAN-Lautsprecher für meine neue Wohnung zu besorgen, teuer und recht doof. Jetzt wollte ich lieber an meinem alten Radio drehen und mich heimelig fühlen. Aber es blieb still, als ich es an den Strom steckte. Also weg damit? Nein, nun wollte ich es behalten.

Reparieren statt wegschmeißen

Im Netz fand ich heraus, dass immer mehr Menschen ihre alten Sachen lieber reparieren als sie auszumustern. Aus ökologischen Gründen, weil sie ihre Alltagsgegenstände wertschätzen oder um Geld zu sparen. Schnell stieß ich auf Adressen von Repair-Cafés, wo sich ehrenamtliche Helfer und Hilfesuchende zusammentun.

Am Samstag darauf ging ich selbst in das Café der Mohr-Villa, einem großen Kulturzentrum im Münchner Stadtteil Freimann. Drinnen merkte ich erstaunt: Da stehen ja schon so einige, die ihre Schätzchen zur Reparatur bringen. Sie hängen an ihren Sachen, genau wie ich an meinem Radio. Helfer stecken in dem Werkraum die Köpfe zusammen und tauschen sich über technische Details wie Kabel, Schalter und Platinen aus. Geduldig erklären sie Besuchern, welchen Defekt ihre Lampen, Toaster oder Küchenquirle haben könnten und tüfteln gemeinsam an der Lösung.

„Am Anfang steht die Diagnose“, erklärt Hans Gall, der Leiter des Reparatur-Cafés. „Bei elektronischen Geräten ist das gar nicht so einfach. Meist suchen wir erst den Schaltplan im Internet. Dann kommen wir den Fehlern im Ausschlussverfahren auf die Schliche. Da haben wir viel Praxis.“ Gängige Teile wie Ersatzkabel oder Schalter haben die Experten der Mohr-Villa häufig sogar vorrätig. „Denn oft gehen diese Verschleißteile kaputt“, erklärt Hans Gall. „Wir prüfen alles genau und stellen sicher, dass die Leute mit einem sicheren Gerät nach Hause gehen.“

Wie bringe ich ein altes Gerät wieder zum Laufen?

Zwischendrin stellt sich ein neuer Reparateur vor. Ein kurzes Gespräch, dann darf er losschrauben. Auch Helfer sind in der Mohr-Villa herzlich willkommen. Hans Gall bringt zum Beispiel sein Wissen als Hochfrequenzingenieur ein. „Technik begeistert mich seit meiner Jugend, als ich bei den Nachbarn Fernseher und Bügeleisen repariert habe, um was dazuzuverdienen.“ Dieses Faible teilen die Reparateure hier. Behutsam öffnen sie die Geräte und gehen auf Fehlersuche. So auch Reiner Schlotte, der gerade ins Innenleben meines Radios eintaucht. Ich, zu Hause auch „Technikschreck“ gerufen, finde dieses Talent faszinierend. Mit einem Spezialschraubenschlüssel macht der IT-Consultant das Gehäuse auf, leuchtet Transistor und Kassettendeck an und prüft die Kontakte. „Ich kann keinen Fehler erkennen“, sagt er. Trotzdem: Nach dem Zuschrauben funktioniert das Radio. Ich höre zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder die Kassette. Verdutzt schaue ich Reiner Schlotte an. Er witzelt: „Tja, das sind meine heilenden Hände. Nein, im Ernst, manchmal genügt ein kurzes Entstauben und ein Gerät läuft wieder.“

Repair-Cafés in Deutschland

Seit Mai 2014 gibt es das Reparatur-Café hier. Die Idee zu kostenlosen Reparaturterminen kam von der Amateurfunkgruppe, die Hans Gall in der Mohr-Villa leitet. Die meisten Mitglieder sind Techniker und waren von Anfang an als Helfer dabei. „Es ist enorm, wie viel Arbeitszeit, Energie und Rohstoffe in unseren Dingen stecken. Sie landen oft viel zu früh auf dem Müll, weil es an Zeit und Sachverstand für die Reparatur fehlt. Das kann es nicht sein“, meint Hans Gall.

Mehr und mehr Menschen denken so und engagieren sich in über 660 Repair-Cafés in ganz Deutschland. Und nicht nur hier: Rund um den Globus entstehen solche Einrichtungen. Die Erfolgsquote in der Mohr-Villa kann sich jedenfalls sehen lassen: Mehr als die Hälfte der 831 Dinge, die zur Reparatur hierher gebracht wurden, funktionieren wieder. So wie mein altes Radio. Die Erinnerungen, die ich damit verbinde, sind unbezahlbar. Das Glücksgefühl beim Einlegen meiner Rap-Kassette auch.


Repair-Cafés auf der ganzen Welt

Die niederländische Stiftung „Stichting Repair Café“ beansprucht für sich, 2009 das Konzept für Repair-Cafés entwickelt zu haben. So viel ist sicher: Seitdem sind in West- und Nordeuropa sowie Nordamerika immer mehr solcher Einrichtungen entstanden. In Deutschland unterstützt etwa die Stiftung Anstiftung & Ertomis Freiwillige dabei, Reparatur-Treffs zu organisieren. Sie hat auch ein Netzwerk für Repair-Cafés ins Leben gerufen. Hier finden Sie die Onlineplattform mitsamt Adressen.